Pharaoe's Call

Donnerstag, den 1. 4. 1999

 Zehnte Ausgabe
- Seite 4 -

 

Ein Gottesdienst in der Wüste

(Peter Frank, Cairo) Dieser Call ist ein recht sakraler. Nicht dass ich jetzt plötzlich 'ganz heilig' geworden wäre, aber es fiel eben in der vergangenen Zeit in dieser Richtung einiges an.
Schon im Dezember hatten wir in der Kirche der evangelischen Gemeinde in Cairo/Boulaq ein Weihnachtskonzert mit Interpreten aus unserer Schule und auch anderen. Es war ein großes Ereignis für eine kleine Gemeinde. Die Qualtität der Musik war beeindruckend, ein Orchester, Flötengruppen, Sologitarre und auch Gesang wurden geboten. Insgesamt brachte uns das Konzert in Weihnachtsstimmung und wir genossen es wirklich.
Jetzt war es wieder soweit. In der Passionszeit ist es Tradition, einen Wüstengottesdienst abzuhalten. Dieser Gottesdienst wird vom evangelischen Pfarrer Steinbrecher, dem katholischen Pfarrer Schrödel und Frank van der Velden gestaltet. Nicht zu vergessen sind auch die aktiven Gemeindmitglieder beider Gemeinden und natürlich auch eine Gruppe für den musikalischen Rahmen.
Der Gottesdienst fand im Wadi Digla statt, einem ausgetrocknenten Flusstal, das nur manchmal Wasser führt (wenn's halt mal regnet, dann aber unter Umständen viel).
Wir fuhren also dorthin, nahmen unsere Campingstühle mit und feierten zusammen.
Im Gegensatz zu Gottesdiensten, die ich in Deutschland kennen- (und fürchten) lernte war es hier ganz anders.
Das lag an der Kulisse, an der Tatsache, dass der Gottesdienst unter freiem Himmel stattfand (die Kelten lehnten unter anderem die Christianisierung deshalb ab, weil ein Kirchendach den Kontakt zu Gott nicht möglich machte, befand der sich doch definitionsgemäß im Himmel) und an der Art, in der er gefeiert wurde. Es gab kein salbungsvolles Gesäusel, sondern die Gebete, die Predigt und die Lieder gaben uns die Möglichkeit zum Nachdenken und zur Sammlung. 
Wir versammelten uns um einen Regenbogenschirm, saßen ganz zwanglos hier und feierten die Messe. Die Gemeindemitglieder waren viel mehr eingebunden in den Ablauf als in Deutschland und es entstand wirklich so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl, vielleicht auch deshalb, weil sich die meisten Leute auch schon persönlich kannten.
Außerdem war der Kreis ganz klein, so etwa 30 Menschen, für einen Lehrer wie mich, eine recht übersichtliche Zahl. 
Mitten in der Feier bildeten sich dann kleine Grüppchen in denen wir uns unterhielten, uns besser kennenlernten und miteinander Brot und Äpfel aßen. Auch das hat zur wirklich schönen Atmosphäre beigetragen.
Nach dem Gottesdienst sausten auch nicht alle in diverse Himmelsrichtungen davon, sondern einige hatten zu essen und zu trinken mitgebracht, wir schmausten 
zusammen, redeten über Gott und die Welt und machten einen kleinen Spaziergang.
Da ich viel Arbeit hatte an diesem Wochenende, wollte ich eigentlich nicht so lange bleiben. Nachdem aber viel mehr Zeit vergangen war als ich mir eigentlich nehmen wollte, fuhren wir zufrieden heim und freuten uns darüber, dass ein Gottesdienst auch ganz anders sein kann als wir bisher gewohnt waren.

 
 
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